Bild: Krebskind Olivia
BILD, 13.07.2008
Ihre Geschichte ging um die Welt
So schön ist Krebskind Olivia heute
Vor 13 Jahren verweigerten ihre Eltern eine lebensrettende Operation, flohen mit ihrer Tochter. Jetzt spricht sie zum ersten Mal.
Von ANTJE WINDMANN
Sie schenkt der Kamera ein schüchternes Lächeln. Nichts an dem 19-jährigen Nachwuchsmodel erinnert an das grausame Schicksal ihrer Kindertage...
Die junge Frau auf dem Foto links ist Olivia Pilhar. Als „Krebskind Olivia“ erlangte sie 1995 traurige Berühmtheit. In ihrem Bauch wucherte ein Nierentumor, sechs Kilo schwer, groß wie ein Fußball.
Doch die Eltern des todkranken, damals sechsjährigen Mädchens boykottierten die verordnete Chemotherapie.
Mit diesem Bild bewarb sich Olivia Pilhar (19) bei einem Model-Wettbewerb. Trotz Minirock und rotlackierter Fingernägel wirkt sie eher schüchtern
Als die österreichischen Behörden Erika und Helmut Pilhar daraufhin das Sorgerecht entzogen, flohen sie mit ihrer Tochter nach Spanien. Hier sollte Ryke Geerd Hamer, ein selbst ernannter Wunderheiler, ihr Kind mit Salben und Handauflegen retten.
Ein Kampf um Olivias Leben begann. Unbehandelt sanken ihre Heilungschancen stetig. Nach 72 Tagen kehrte die Familie auf Druck der Ärzte und Behörden schließlich nach Wien zurück. Gegen den Willen der Eltern wurde Olivia operiert, der Tumor entfernt. Eine Chemotherapie folgte. Acht Monate später wurde sie aus dem Krankenhaus entlassen. Heute gilt sie als geheilt.
„Ich will das alles eigentlich hinter mir lassen“, sagt Olivia, die mit ihren Eltern und ihren Geschwistern in Niederösterreich lebt. „Es geht mir sehr gut. Ich habe gerade meine Schule abgeschlossen. Meine Freunde und Mitschüler kennen meine Geschichte.“
Dass die Öffentlichkeit nun doch erfährt, was aus dem „Krebskind“ von einst wurde, ist einem Zufall zu verdanken. Olivia hatte sich bei einem Model-Wettbewerb des österreichischen Magazins „Madonna“ beworben.
Krebs-Kind Olivia Pilhar
Mit diesem Bild gelangte Olivia zu trauriger Berühmtheit. Der Tumor scheint ihren Leib fast zu sprengen. Zu diesem Zeitpunkt war ihre Überlebenschance schon auf 20 Prozent gesunken
Foto: dpa
Ihre Zwangsoperation habe sie allein verarbeitet, sagt Olivia. „Eigentlich habe ich mich ganz allein damit auseinandergesetzt. Ich habe ein Tagebuch geschrieben. Das hat mir sehr geholfen“, sagt sie. Trotzdem bezweifelt sie, dass die OP sinnvoll war! Warum, möchte sie nicht erklären: „Ich will nicht, dass die Diskussion wieder aufkommt, wieder schlecht über uns geredet wird.“
Ihre Eltern waren wegen fahrlässiger Körperverletzung zu acht Monaten Bewährungsstrafe verurteilt worden, „Heiler“ Ryke Geerd Hamer wegen Verstoßes gegen das Heilmittelgesetz zu 19 Monaten Haft. Umso ungeheuerlicher, dass Olivias Vater noch immer den selbst ernannten Wunderheiler preist. Auf seiner Homepage schreibt Helmut Pilhar: „Man hat uns belogen und gejagt, betrogen und unser Kind geraubt. Man hat aus uns, Opfern, Täter gemacht! (. . .) Nie wieder soll einer Familie derart großes Leid zugefügt werden dürfen!“
Olivia schweigt dazu. Eines Tages will sie ihre Sicht der Dinge veröffentlichen – vielleicht. Viel mehr interessiert sie jetzt aber das Ergebnis des Model-Wettbewerbes. Große Hoffnungen auf eine Topmodel-Karriere mache sie sich aber nicht, „weil ich ja diese relativ große Narbe am Bauch habe“, sagt sie. Dann fügt sie leise hinzu. „Aber schön wäre es schon...“
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